Das Bauen soll ökologischer werden. In diesem Punkt sind sich so ziemlich alle Fachpersonen einig. Wenn man die Klimakrise meistern will, muss der CO2-Ausstoss der Bauwirtschaft möglichst schnell und massgeblich gesenkt werden. Ein Zauberwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist dasjenige der “Kreislaufwirtschaft”. Materialien und Bauteile sollen in einen Kreislauf gebracht werden, wo keine zusätzlichen oder lediglich minimale weitere Ressourcen verwendet werden. Die Wiederverwendung, das Recycling, von Bauteilen ist dabei ein zentrales Thema. Doch was heisst das in der heutigen Realität der Planung? Wie einfach kann man als ArchitektIn mit gebrauchten Bauteilen arbeiten?
«Kreativität der Architekten ist gefordert»
Experte Olivier de Perrot, der die Studie “Wiederverwendung Bauen” verfasste, sagte in einem Interview in der Zeitschrift Wohnen: “Man muss das sicher von Fall zu Fall anschauen. Alte Fenster etwa kommen aus energetischen Gründen nicht in Frage, bei Plättli können neben der Ästhetik Asbestprobleme bestehen.” Recycling von Bauteilen kennt also Grenzen. Und dennoch meint Perrot: “Trotzdem gibt es immer wieder Möglichkeiten, ein Fassadenteil oder beispielsweise ein Geländer wiederzuverwenden. Hier ist die Kreativität der Architekten gefordert.” «Challenge accepted», denkt sich der schreibende Architekt. In der Schweiz existieren verschiedene Online-Plattformen, die gebrauchte Bauteile anbieten. Unser Fallbeispiel: Wir gehen von einer simplen Wohnungsrenovation aus, wofür wir Keramikplatten für das Bad, ein Lavabo sowie Innentüren benötigen. Keine ausgefallenen Dinge also. Doch zeigt unser Check, dass bereits hier die Verfügbarkeit ein Problem ist. Das Fazit vorneweg: In Sachen Wiederverwendung von Bauteilen gibt noch viel zu tun! Packen wir es an…
Salza
www.salza.ch
Die Webseite von Salza kommt grafisch äusserst ansprechend daher. So sollte eine Online-Bauteilbörse im 21. Jahrhundert aussehen! Leider folgt die Enttäuschung sofort: Kein einziges Angebot punkto Keramikplättli ist verfügbar. Bei den Lavabos gibt es immerhin drei Stück zu kaufen, die aber alle ziemlich bieder daherkommen. Bei den Innentüren ist das Angebot ebenfalls äusserst dürftig. Abhilfe könnte allenfalls der Bauteil-Alarm bieten: “Hier können Sie wählen, bei welchen neuen Baumaterialien Sie automatisch benachrichtigt werden wollen.” Bei diesem insgesamt äusserst bescheidenen Angebot, bestehen jedoch Zweifel, ob der Alarm innert nützlicher Frist losgehen wird.
Fazit
Grafik und Handling der Webseite sind top. Leider fehlt das Angebot in Form von genügend verfügbaren Bauteilen. So bleibt nach dem Besuch der Webseite lediglich die Enttäuschung, kein passendes Bauteil gefunden zu haben. Bei Salza besteht sehr viel Luft nach oben.
Materiuum
www.materiuum.ch
In der Westschweiz hat sich der Verein Materiuum die Wiederverwendung von Bauteilen auf die Fahne geschrieben: “C’est une association ayant pour objectif de valoriser et collecter des matériaux réutilisables destinés à être jetés.” Auf der etwas spröden Webseite findet man die Online-Bauteilbörse, wo nach Materialien sortiert wird. Bei Keramik finden sich zwar einige Lavabos jedoch keine Plättli. Schade. Innentüren sind nur eine Handvoll verfügbar. Darunter kurioserweise alte Zellentüren aus einem Gefängnis. Ob sich da ein Abnehmer finden wird?
Fazit
Man spürt den Idealismus der Macher. Leider kommt Materiuum zu handgestrickt daher. Für professionelle Nutzer ist die Seite nur bedingt nützlich. Da sich das Angebot auf die Region Genf konzentriert, ist die Auswahl ausserdem ziemlich beschränkt. Mit Materiuum allein werden wir die Klimakrise leider nicht meistern.
Bauteilbörse Basel
www.btbbasel.ch
Act local! Hier in Basel bietet die Bauteilbörse auf dem Dreispitz gebrauchte Bauteile an. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele noch brauchbare Teile in den Nutzungskreislauf zurückzuführen: “Dies trägt zur Abfallverminderung bei; wertvolle Rohstoffe bleiben erhalten und damit der Verbrauch von grauer Energie gesenkt.” So weit so gut, aber was heisst das im Reality-Check? Der Onlineshop kommt übersichtlich und aufgeräumt daher. Dafür gibt’s schon mal Pluspunkte. Aber wie steht es um das Angebot? Bei den Keramikplättli ist die Auswahl leider ziemlich bescheiden. Bei den Innentüren ist gar nur eine einzige, verglaste verfügbar. Besser sieht es immerhin bei den Lavabos aus. Man kann dort sogar auswählen zwischen der Montageart: hängend, Aufsatz oder eingebaut.
Fazit
Am gelungenen Webauftritt liegt es nicht. Das Problem ist das zu wenig umfangreiche Angebot, das nur im Bereich “Bad/Sanitär” zu überzeugen vermag, wo eine gute Auswahl an Bauteilen verfügbar ist. Bei den Wandbelägen fällt das Angebot komplett durch. Wir sind überzeugt: Basel kann das besser!
Bauteil Click
www.bauteilclick.ch
Mit einem Klick geht es weiter zu «Bauteil Click». Im Onlineshop finden sich Bauteile aus verschiedenen Bauteilbörsen der Schweiz. Die Webseite kommt aufgeräumt und übersichtlich daher. Hinter dem Angebot steckt die Firma useagain, die seit 20 Jahren in diesem Bereich tätig ist: “Secondhand ist zu unserer Kultur geworden.” Die Seite hält, was sie verspricht. Nach wenigen Clicks haben wir sowohl Plättli fürs Bad, schöne, gestämmte Innentüren und verschiedene Lavabos gefunden. Am schlechtesten schneidet das Angebot bei den Keramikplatten ab. Hier sind lediglich fünf Angebote vorhanden und davon vier Restposten, die nur wenig Fläche beinhalten.
Fazit
Die Gesamtbewertung fällt positiv aus: Hier lohnt es sich auf jeden Fall vorbeizuschauen. Die Chancen sind hoch, dass man – zumindest bei kleinen Stückzahlen – das passende Bauteil findet. Das Konzept des Zusammenschluss von verschiedenen Bauteilbörsen scheint der einzig sinnvolle Weg zu sein, um ein halbwegs umfassendes Angebot generieren zu können.
Ricardo
www.ricardo.ch
Vieles ist Secondhand auf Ricardo. Das grösste Online-Auktionshaus der Schweiz bietet so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Von Kaffirahmdeckeli bis zur Aalto-Vase. Bauteile findet man etwas versteckt unter der Rubrik “Handwerk & Garten”. Bei den Innentüren fängt es schon mal gut an. Rund 20 Stück stehen zur Auswahl. Unter dem Suchbegriff “Lavabo” finden sich gar über 400 Resultate. Was bei Ricardo entfällt, ist die Triage. Hier finden sich die Bauteile querbeet verstreut. Die Garantie für Qualität und Funktionstüchtigkeit ist höchstens teilweise gegeben. Ausserdem gibt es einige Anbieter, die neue Ware verkaufen. Insofern ist Ricardo im Hinblick auf die Wiederverwendung von Bauteilen nur bedingt eine Lösung.
Fazit
Die Suche auf Ricardo lohnt sich vor allem für spezifische, ungewöhnliche Teile oder Fundstücke. Für die professionellen Anwendung und zur Planung mit gebrauchten Bauteilen, ist die Seite jedoch nicht ausgelegt.
Idealismus allein reicht nicht! Und ein Testsieger…
Unser Check hinterlässt ein zwiespältiges Bild. Keines der Angebote konnte restlos überzeugen. Für die professionelle Anwendung von PlanerInnen funktionieren die Bauteilbörsen entweder zu umständlich oder verfügen schlicht nicht über die notwendige Breite des Angebots. Einzig in der Kategorie der Waschtische waren genügend Bauteile verfügbar. Testsieger ist die Plattform “Bauteil Click”, die mit einem gut gefächerten Sortiment zu überzeugen vermochte. Letztlich müssen wir uns aber auch an der eigenen Nase nehmen: Das Angebot wird bekanntlich durch die Nachfrage mitbestimmt. Da liegt der Ball bei uns ArchitektInnen. Wir müssen vermehrt nach gebrauchten Bauteilen fragen. Nur so kann sich ein Markt für gebrauchte Bauteile entwickeln, der auch ökonomisch funktioniert. Denn so viel ist klar: Mit Idealismus allein werden wir die Klimakrise nicht überwinden.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel